September 1985
Einige Anmerkungen von Manfred Schulz (damals
noch Organist im Dietrich-Bonhoeffer-Haus)
zum Selbstverständnis der Kirchenmusik in Lauenburg-West
Wenn ich vor einigen Jahren mit Kirchenmusikern oder "kirchenmusikalischen
Aktivisten" aus den Nachbargemeinden Lauenburgs über die Situation der Kirchenmusik in Lauenburg sprach, dann hieß es meistens:
"In Lauenburg ist nichts los"
"Lauenburg ist kirchenmusikalisch tot"
"Lauenburg ist nun mal ein musikalisch ungünstiges Pflaster"
Ich muss sagen, dass mich das damals eigentlich sehr gewurmt hat. Warum sollte gerade in Lauenburg etwas nicht möglich sein, was in viel kleineren Gemeinden möglich ist?
Ein Blick in die jüngere Vergangenheit zeigt ja, dass durchaus große musikalische Vorhaben (Weihnachtsoratorium, Kantaten, Matthäuspassion) unter Mitwirkung von Lauenburgern möglich waren.
Aber es nützt sicherlich nicht viel, diesen "glorreichen Zeiten" nachzuhängen. Durch das Träumen von besseren Zeiten wird sicherlich kein neues goldenes Zeitalter der Musik in Lauenburg heraufbeschworen. Wie kann denn nun Kirchenmusik in unserer Gemeinde gedeihen?
Ich sehe eigentlich zwei Möglichkeiten:
1.)Geht man davon aus, dass Musizieren etwas mit Leistung, Können und Wissen zu tun hat, dann kann man eigentlich nur die musikalisch Vorgebildeten ansprechen. Man "klaubt" also die
Wenigen zusammen, hat - vielleicht - einen leistungsfähigen Chor, kauft sich ein auswärtiges Orchester und macht "kulinarische Kirchemusik".
Dieser Weg kostet natürlich viel Geld ("was nichts kostet, ist auch nichts
Wert") und somit sind erhebliche Zuschüsse seitens der Kirchengemeinde bzw.
hohe Eintrittspreise notwendig. Dafür wird natürlich Gutes geboten und die
Zuschauer - mehr oder eher weniger zahlreich - werden es wohlwollend anerkennen, wie man es eben überall im Konzertleben kennt und schätzt.
2.)Der andere Weg ist mühsamer.
Die Kirchenmusik, wie ich sie hier in unserer Gemeinde verstehe, ist ein Angebot für a l l e zum
Selber-(mit-)machen. Die Distanz zwischen denen, die "Musik können" und denen, die nur konsumieren, verträgt sich nicht mit meiner Auffassung von Gemeinde. Ich meine, Musik in unserer Gemeinde muss mit dem Gemeindeleben verflochten, ja selber ein Teil der Gemeinde sein.Dabei
spielen theologische Aspekte für mich keine Rolle.
Daraus ergeben sich folgende Voraussetzungen für das Musizieren, insbesondere das Singen, in unserer Gemeinde:
-
Es gibt keine Vorbedingungen für den, der bei uns mitsingen will.
-
Niemand wird abgewiesen oder ausgesondert.
-
Wir machen Musik zum Anfassen.
Musik geschieht nicht um ihrer selbst Willen, bzw. um derer Willen, die sie
betreiben, sondern sie geschieht mit allen für alle. Eine solche Art, Musik zu betreiben, muss frei bleiben von Zwängen, die das
Konzertleben normalerweise bestimmen: Leistung, Profilierung, Perfektion oder dem Hang, es unbedingt anderen
Kantoreien in großen Städten nachmachen zu wollen. Das gemeinsame Musizieren sollte erfüllt sein von einem fröhlichen Miteinander-Erleben. Es ist daher sicher auch kein Zufall, dass die Probenatmosphäre ausgesprochen locker und heiter ist -es wird ziemlich viel gelacht bei uns. Fragen Sie mal einen!
Manfred Schulz, 1985 |