Alte Musik in neuem Gewand Chor
und Big Band des Lauenburger Musik-Kreises Manfred Schulz |
Regionales
Kulturzentrum |
Fotos: Roland Dörfer |
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Chor und Big Band setzen "Kontrapunt“ am 20. November 2010 im regionalen Kulturzentrum in Witzeeze Wie kann man Alte Musik modern einkleiden? Man kann den Rhythmus ändern und z. B. einen Swing darunterlegen, man kann moderne Instrumente einsetzen, indem man Saxofone und moderne Bauweisen von alten Instrumenten einsetzt, man kann Instrumentalstücke einfach singen oder einfach alle „Verkleidungsmöglichkeiten“ kombinieren. Die Musikerinnen und Musiker von Chor und
Big Band des Lauenburger Musik-Kreises boten an diesem Abend einen gelungenen musikalischen Mix mit eigenen Bearbeitungen von Solostücken, Chordarbietungen und Big-Band-Arrangements. Die Big Band startete mit einem Trompetenstück von Henry Purcell – es erklangen aber gar keine Trompeten – sondern Saxofone, die entgegen allen Erwartungen mit dieser berühmten Hochzeitsmusik einen fast echten „Trumpetsound“ erklingen ließen. Werke von vier „alten“ Komponisten aus der Barockzeit neben Henry Purcell, Georg Friedrich Händel, Georg Philipp Telemann und vor allem von Johann Sebastian Bach kamen zur Geltung. Dazu bot Dirigent Manfred Schulz mit Beamer und Laptop Hintergrundgeschichten und Erläuterungen zu den gespielten Werken. Winfried Matern starte „novembergemäß“ mit einem „Triste“ aus der f-Moll-Sonate von G.Ph. Telemann, riss dann aber dass Publikum aus der tristen Stimmung mit einem, im wahrsten Sinne des Wortes, atemberaubenden Vivace heraus. Er „verkleidete“ das Stück mit einem modernen Fagott, dass mit seinen vielen Klappen (allein der rechte Daumen muss 10 Klappen bedienen) und der raffinierten Technik ein völlig anderes Aussehen hat als ein Fagott aus der Zeit, in der dieses Stück komponiert wurde. Eine besonders lustige Interpretation des Bachschen Komposition „Wachet auf ruft uns die Stimme“ boten der Chor begleitet von Klavier, Schlagzeug und Tenorsaxofon, gespielt von Ole Wulff. Man sah förmlich vor dem geistigen Auge die ach doch so „klugen Jungfrauen“ aus dem biblischen Gleichnis mit ihren Öllampen dem Bräutigam folgen und dabei fröhlich eine, den Choral umspielende Melodie vor sich hinsummen. Der Chor hatte es bei der in diesem Konzert dargebotenen Werken nicht leicht. Manfred Schulz hatte in der Manier der Swingle-Singer das berühmte Air, die Badinerie, eine Bourrée, ein Menuett und die bachsche Variation über den Choral „Wachet auf ruft uns die Stimme“ bearbeitet, und der Chor sang die Stücke ohne Text mit Silben wie da, ba, da im Swing-Stil unterstützt von Schlagzeug und Klavier. Ursprünglich hatte Georg Friedrich Händel die Sonate in F-Dur für Altblockflöte und Basso Continuo geschrieben. Dann aber verwendet er die Themen der Sonate für ein Orgelkonzert. Der Trompeter Maurice André bearbeitete die Sonate im letzten Jahrhundert für Orgel und Solotrompete. Meike Lindemann und Manfred Schulz spielten das Stück in einer weiteren eigenen Bearbeitung für Sopransaxofon und Klavier in einer lässigen aber tänzerisch interpretierten Version.
Graf Keyserlink hatte Bach gebeten, für seinen Cembalisten Goldberg ein paar Variationen zu schreiben um diese dann sich vorspielen zu lassen und so besser in den Schlaf zu kommen. Die Musiker des Musik-Kreises richteten den Focus besonders auf die
Variation Nummer 30 aus den sogenannten „Goldbergvariationen“. In ihr verbergen sich zwei zu Bachs Zeit sehr bekannte Volkslieder: „Kraut und Rüben haben mich vertrieben hätt‘ mein Mutter Fleisch gekocht so wär‘ ich länger blieben.“ Und das Lied „Ich bin so lang net bei dir g’west, Ruck , ruck, mein Mädel, ruck!“. Den eigentlichen Höhepunkt des gesamten Konzertes bot jedoch das 6-stimmige Ricercar aus dem Musikalischen Opfer von Johann Sebastian Bach. Ricercar ist eine alte Bezeichnung für eine Fuge. Bach hatte diese Bezeichnung mit einem Anagramm verknüpft: RICERCAR beinhaltet die Anfangsbuchstaben des lateinischen Zitates „Regis Iussu Cantio Et Reliqua Canonica Arte Resoluta“, was bedeutet: „Auf Geheiß des Königs, die Melodie und der Rest durch kanonische Kunst erfüllt.“ Das Thema zu dieser Fuge hatte Bach vom preußischen König Friedrich dem II. bei seinem Besuch am Königshof in Potsdam im Jahre 1747 erhalten. Nach Leipzig zurückgekehrt hatte Bach daraus ein umfangreiches Werk mit vielen weiteren sehr kunstvoll angelegten und ausgestatteten Fugen gemacht. Meike Lindemann und Ole Wulff boten zunächst aus dem Werk den sogenannten Krebs-Kanon, den man gleichzeitig vorwärts und rückwärts spielen kann. Mit dem großartigen und äußerst komplizierten Ricercar verband Manfred Schulz das Bild „Metamorphosen“ des holländischen Malers M.C.Escher. Mit seiner symbolischen Darstellung der Evolution in diesem Bild verband der Maler eine Vorstellung von der menschlichen Geschichte, die in einem Schachspiel endet, in dem die schwarze Mannschaft siegt. Ein Sieg des Bösen. Escher hatte dieses Bild 1942 gemalt, als das damalige Deutsche Reich die Niederlande besetzt hatte. Escher selbst hat einmal zum Ausdruck gebracht, dass gerade die bachsche Musik ihn zu solchen Bildern inspiriert habe. Am Schluss verabschiedete Manfred Schulz seinen Tenorsaxofonisten Ole Wulff, der die Band leider verlassen muss, weil er in Kiel sein Studium antreten wird. Schulz überreichte ihm als Dank für seine musikalische Unterstützung bezeichnender Weise das bekannte Buch von Douglas Hofstadter: „Gödel, Escher, Bach“. Den musikalischen Schlusspunkt des Konzertes setze dann der Chor mit dem, ursprünglich für Orchester geschriebenen, Air aus der Suite in D-Dur von J. S. Bach. Um den Lauenburger Musik-Kreis, der seit über 30 Jahren in Lauenburg aktiv ist und in der Vergangenheit viele große Konzerte auf die Beine gestellt hat ist es in den letzten drei Jahren etwas ruhiger geworden. Der Chor wurde von über 100 Mitgliedern auf 15 Sängerinnen und Sänger reduziert. Das Orchester wurde vor zwei Jahren aufgegeben und die Big Band ist auf die Hälfte seiner Mitglieder geschrumpft. Der künstlerische Leiter des Musik-Kreises Manfred Schulz kommentiert diese Entwicklung so: „Man mag es bedauern, dass diese großartigen Zeiten vorbei sind. Sie waren aber nicht durchzuhalten. Die sehr umfängliche Probenarbeit mit den vielen Ensembles neben der beruflichen Arbeit kostete einfach zu viel Zeit und Nerven. Die jetzige Form des Musik-Kreises ist eine überschaubare und für die direkt Beteiligten schöne, sinnvolle und zufrieden stellende Form der Kulturarbeit in Lauenburg. Wir sind offen für neue Mitglieder. Sängerinnen und Sänger, die sich musikalisch weiter entwickeln und an den Proben regelmäßig teilnehmen wollen, sind herzlich willkommen.“ Für das nächste Jahr 2011 plant der Lauenburger Musik-Kreis zwei Konzerte: Ein Konzert mit Filmmusik und ein Barockkonzert, in dem u.a. die Aufführung der Motette „Jesu meine Freude“ von Johann Sebastian Bach geplant ist. Daneben wird es kleinere Auftritte mit dem Klezmer-Ensemble geben. Zeit und Ort werden rechtzeitig bekannt gegeben. Weitere Informationen findet man auf der Homepage des Musik-Kreises ( www.musik-kreis.de). |